„Du bist, was du fährst“

Teil 5 aus: Mein Leben an der Seite eines Triathleten oder wenn er eine Radtour macht

„Ich würde gerne nächste Woche eine Radtour machen, passt dir das?“, rief der Triathlon-Gatte durchs Haus. Oh ha, meine Alarmglöckchenen klingelten. Noch leise, aber dann schon lauter. „Weini, Fliege und Latsch kommen auch mit“ ergänzte er seine Ausführungen und jetzt läuteten die Glocken schon heftiger. „Nur eine kleine Runde.“ ALARM!!! ALARM!!! ALARM!!!

Picknick und Eis

Wenn ich zu ihm sage: „Du Robi ich möchte gerne etwas umräumen“, dann schrillen seine Glöckchen. Bei „nur eine Kleinigkeit umbauen, mach ich selber“ sprintet er in den Keller, weil er weiß, gleich schreie ich um Hilfe. Aber wenn ich dann im gleichen Atemzug noch sage „geht ganz schnell“, dann lässt er wirklich alles stehen und liegen. So ähnlich ist es bei mir, wenn er eine „kleine Radtour“ machen will. Denn das kann viel bedeuten.

Nun denke ich bei Radtour an eine gemütliche Fahrt ins Grüne, mit Picknickkörbchen und Decke. Zwischendurch immer mal wieder Halt machen und vielleicht baden gehen oder ein Eis essen. Die Triathleten verstehen das anders. Ich lernte recht schnell, dass wenn die sich zum Radfahren treffen, machen sie das nicht ganz in Ruhe nach dem Frühstück, sondern gleich um 6.30 Uhr Sonntagmorgen. Und dann fahren sie gefühlt bis an die polnische Grenze. Und ich übertreibe nicht. Es sind ja nur schlappe einhundert Kilometer. Das dauert nicht mal einen ganzen Tag. Verrückte Typen.

Einmal gab es eine fette Party auf einem Bauernhof in Brandenburg. Die ganze Triathlon-Gang kam mit ihren Rennrädern. Mal eben 60 Kilometer in die brandenburgische Pampa bei 35 Grad im Schatten. Da waren sie fast auch ein bisschen erschöpft. Und wir Ladies hatten unseren Spaß, weil die Herren Sportler natürlich mit dem eiskalten Wasser aus dem Gartenschlauch abgespritzt werden mussten.

Mal schnell zur Ostsee

Mittlerweile schockt nicht das nicht mehr. Nachdem ich den ersten Ironman als Zuschauerin mitgemacht hatte, wusste ich was mein Mann so aushält. Obwohl ich es durchaus beängstigend fand in welchem körperlichen Zustand er sich nach 3,6 km schwimmen, 180 km Radfahren (bis an die polnische Grenze sag ich ja) und 42 km laufen befand. Eine Woche konnte er nur mit Mühe aufstehen und sich hinsetzen, geschweige denn zügig gehen. Da wusste ich wie es wird, wenn er mal ein alter Mann ist.

Heute mache ich mir einen Spaß daraus, wenn die Nachbarin nach meinem Mann fragt und ich lässig erwidere: „Der macht mit seinen Kumpels eine Radtour.“ Sie freut sich dann, wohl erwartend, dass ich ihr jetzt erkläre, der Gatte fährt irgendwo nach Brandenburg um an einem Baggersee ausgiebig Bier zu trinken. „Das ist aber eine schöne Idee“, stimmte sie mir zu „wo fahren sie denn hin?“ Ich ganz cool, weiß ich doch jetzt schon, wie verwirrt die Leute bei meiner Antwort sind „ach nur zur Ostsee.“

Das Gesicht hättet ihr sehen müssen. In Triathlon-Kreisen ist diese Antwort normal, da wundert sich auch keiner, aber wirklich „normale“ Menschen schlucken erst mal. „Achso, dann bleibt er wohl länger weg“, sagte die Nachbarin, nachdem sie sich ein wenig sortiert hatte. Ich wieder: „Nee, nee, Robert ist heute Abend wieder da.“ Ich erklärte der sichtlich erstaunten Dame dann noch, wann die Radler ungefähr die Ostsee erreichen würden und dann wieder zu Hause seien. Zurück kommen sie doch mit der Bahn. 

Carbon-Liebe

Schwierig wird es nur, wenn das Wetter sehr schlecht ist. Wer zügig radelt, wir kennen es gelegentlich alle, wird nicht kalt. Aber wenn es ewig regnet, bekommt der härteste Ausdauersportler sich nicht richtig geheizt. Bei der letzten Ostsee-Tour regnete es auch. Obwohl mein Triathlet mir bei der ersten Nachricht noch schrieb: „Is’ nur ’ne Husche, es hört gleich wieder auf.“, wusste ich schon, dass es sich fest regnete und keine Aussicht auf Besserung war. Es schüttete die ganze Zeit, volle sechs Stunden. Da litten sogar die härtesten Sportler.

Aber auch unsere Nachbar:innen gewöhnen sich langsam an die triathletischen Radtouren. Erst kürzlich wurde ich gefragt, ob mein Mann denn heute wieder nach Ückeritz fährt. „Nein, diesmal geht es einmal um Berlin herum.“ Verblüfft wurde die Augenbraue gehoben, aber es fielen nicht mehr gleich die Augen raus. Folgende Reaktion: „Dann ist er bald wieder da.“ Wir lernen alle dazu.

Der absolute Höhepunkt beim Thema Radtour ist allerdings mit Abstand die Liebe zur Carbon-Prinzessin. Wie ich lernte, fährt sie auch in die Berge mit. Nicht etwa das Mountainbike, wie ich einst dachte. Also das Carbon-Geschoss ins Auto gefaltet und ab Richtung Alpen. Hier fuhr der Gatte drei Stunden steil bergauf, auf Europas höchster Passstraße bis zum Gletscher. Mit der Prinzessin posierte er im Schnee und fuhr dann sofort wieder hinunter.

Vollgepackt

Es ist nicht immer einfach mit den Radtouren, denn auch langsam fahren will gelernt sein. Eigentlich können wir nie gemeinsam radeln. Ich bin schon völlig am Ende, da ist mein Robi quasi noch nicht losgefahren und das Kind beschwert sich schon, wenn der Papa nur versucht langsam zu fahren. Was also tun? 

Wir machen aus unserem Triathleten kurzerhand einen Pack-Esel: Welch Glück hat er sich im Corona-Jahr „King Alu“ (die Räder haben bei uns Material spezifische Namen) gebaut, ein sogenanntes Gravel Bike. Es nicht aus Carbon und etwas stabiler, extra um volle Radtaschen zu transportieren. So wird aus dem Super-Sportler mal eben ein Familien-Transporter. Und dabei kommt er nicht mal richtig ins Schwitzen und kann seine Tochter bergauf auch noch anschieben.

Was ich aus all dem gelernt habe: Triathleten sind, was sie fahren und dabei stets leicht und vor allem sehr lebendig, Eure Heli



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Illustration © Sophie Schäfer

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