„Ich habe Öl geschwitzt“

Ein Rausch über „Gelbes Gold“

Pommes lügen nicht, heißt es in „Gelbes Gold“ von Fabienne Dür. Ein pointiertes Drama voller guter Dialoge für leichte Unterhaltung. Gibt es noch bis zum kommenden Samstag an der Vagantenbühne.

„Alles ist tot, hier ist kein Mensch. Warum bin ich eigentlich zurückgekehrt?“, fragt sich Ana, als sie am Bahnhof ihrer heimatlichen Kleinstadt ankommt. Inmitten von strahlenden Rapsfeldern, Bahngleisen und der Tod geweihten Plattenbausiedlung tut sich für die Studentin aus der großen Stadt ein Alptraum auf. Sie trifft auf den vom Leben enttäuschten Vater, stets auf der Suche nach dem perfekten Pommes-Rezept. Seiner Freundin Mimi, der einstigen Floristin und Frau des besten Freundes, heute vom Fritten-Fett und Wut zersetzt. Und der alten Schulfreundin aus Kindertagen, der von Männern und Alkohol übel mitgespielt wurde.

Auf der Suche nach dem Sinn

Was zu Beginn deprimierend und frustriert wirkt, bringt dennoch den nötigen Charme und ganz eigenen Humor mit. Die Charaktere entwickeln ihre eigene besondere Dynamik, mit jedem Dialog mehr und doch sind alle unwiderruflich miteinander verbunden. Herrliche Gespräche, tiefsitzende Gefühle und wütendes Gebrüll machen das Stück rund. Ein Ausraster reiht sich an den nächsten und findet einen Höhepunkt mit der Performance der Schauspielerin Hannah von Peinen. Treffend und hochemotional bringt sie ihren Frust und den Ekel über die Pommes-Bude zum Ausdruck: „Wir haben sieben Truhen mit toten Fritten“, schreit sie fluchend und erklärt, wie widerlich sie nicht nur ihr Leben an diesem toten Ort findet, sondern dass sie auch stets von Existenzängsten heimgesucht wird.

Die Siedlung soll abgerissen werden und einem Einkaufszentrum weichen, eine neue Wohnung ist nicht in Aussicht und überhaupt habe Fritten-Mimi ihr Leben nicht nur verpasst, sondern auch versaut. Hannah von Peinen spielt diese exzentrische Rolle einer Frau souverän und mit dem nötigen Drama.

Um Protagonistin Ana hingegen ranken sich ganz andere Mythen. Keiner weiß, warum sie wieder da ist: Wegen einem Kerl, wegen der verlorenen Jahre im falschen Studiengang, weil sie „wirklich dem Papa helfen will“, wie sie selbst betont. Oder ist sie gar schwanger? Vieles bleibt offen in diesem Stück, Fragen stehen im Raum und werden nicht beantwortet. Und doch fühlt man sich wohl an diesem Ort, zwischen diesen Menschen, die im Grunde auch nur auf der Suche nach dem Sinn sind. Sarah Maria Sander spielt die Zerrissenheit Anas authentisch. Man kauft ihr ab, dass sie nicht immer nur Mittelmaß sein und doch eigentlich endlich mal ankommen möchte. Auch die Schauspielerin selbst stand stets zwischen den Welten: In Hof geboren, wuchs sie in einer russisch-jüdischen Familie auf und ist neben der Schauspielerei politisch aktiv.

Zwischendrin gibt es wunderbare Dialoge, die von den Schauspielerinnen und Schauspielern selbst, scheinbar aus dem Off gesprochen werden, obwohl sie auf der Bühne stehen. Sie geben Einblicke in den Klatsch und Tratsch des Ortes. „Sie hat versucht, ein Schwan zu sein, und bleibt doch das Nagetier.“ Auch der Protagonistin, ganz fragil und wunderbar unsicher, gelingt ein schöner Monolog mit der Wut ihrer Kindheit: „Ich habe Öl geschwitzt“, erklärt sie ihrer Freundin Juli.

Vom Wander- zum Avantgarde-Theater

Die Menschen im Theater lachen, schweigen, husten und rascheln, aber eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind drin im Stück. Alle schauen zu und beobachten, wie Ana versucht, mit ihrer Vergangenheit aufzuräumen. Auch für die Autorin Fabienne Dür ist es besonders, dass sich so viele Menschen mit ihren Texten befassen: „Ich war vorher sehr aufgeregt und gespannt auf die Umsetzung und die Reaktionen des Publikums. Es ist auch immer noch etwas absurd für mich, dass sich so viele verschiedene Menschen von Schauspiel bis Technik so intensiv mit meinem Text beschäftigen, dafür bin ich sehr dankbar und ich bin sehr froh über das Ergebnis.“

Gegründet 1949 liegt die Vagantenbühne in der Nähe von Bahnhof Zoo und Kurfürstendamm in der City West. Zunächst gab es kein festes Ensemble und gespielt wurde in Gemeindesälen von Kirchen und in Vereinshäusern. Ende der fünfziger Jahre wandelte sich das einstige Wandertheater dank Stücken von Sartre und dem französischen Existentialismus in das Avantgarde-Theater der Stadt. Die Vagantenbühne ist mit ihrer über 70-jährigen Geschichte eines der ältesten professionellen Privattheater Berlins.

Fabienne Dür studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Ihr Debütstück „Gelbes Gold“ wurde 2021 zum Heidelberger Stückemarkt, einem Daramatikerwettbewerk und Theaterfestival, eingeladen und bekam dadurch viel Aufmerksamkeit. „Es wäre sehr schön, wenn Gelbes Gold auch noch an anderen Theatern auf den Spielplan gesetzt wird“, wünscht sich Dür.

Ein Abend voller Themen über Sinnhaftigkeit des Lebens und Rückkehr, über Gentrifizierung und Vater-Tochter-Beziehung – und nicht zuletzt über die perfekten Pommes. Leicht mit Witz und Wut.


Noch bis 9. Februar gibt es „Gelbes Gold“ an der Vagantenbühne in der Kantstraße. Mehr Infos gibt es hier: www.vaganten.de

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